Offener Brief: #HamburgNimmAuf

Die Seebrücke Hamburg ist Teil des Bündnisses #HamburgNimmAuf, das die Evakuierung der griechischen Lager und ein Landesaufnahmeprogramm für mindestens 1.000 Menschen in Hamburg fordert. Das Bündnis hat am 24.06.2020 einen offenen Brief veröffentlicht.

Der Brief als PDF inklusive der Liste aller Unterzeichnenden (Stand 24.06.2020).

Der Brief im Wortlaut:

Sehr geehrte Senator*innen,

die Situation der geflüchteten Menschen in den Lagern auf den griechischen
Inseln ist katastrophal und vollkommen menschenunwürdig. Die provisorischen Notunterkünfte sind komplett überfüllt – so leben im Camp Moria, ursprünglich ausgelegt für 3.000 Menschen, annähernd 20.000 geflüchtete Menschen. Die hygienischen Bedingungen sind desaströs, es mangelt an Wasser und Nahrungsmitteln. Durch das neue Coronavirus hat sich die Lage noch deutlich zugespitzt.

Mit dessen globaler Ausbreitung verändert sich auch in Europa die Situation der Gesundheitsversorgung und vielen Menschen ist die eigene Verletzlichkeit bewusster denn je. Umfangreiche Maßnahmen werden in den EUMitgliedstaaten ergriffen, um die Pandemie einzudämmen.

Den geflüchteten Menschen jedoch werden nötige Schutzmaßnahmen verwehrt. Ihre gesundheitliche Versorgung ist ohnehin unzureichend, einfachste Hygienestandards können nicht eingehalten werden und physical distancing ist in den überfüllten Lagern unmöglich. So müssen die Menschen täglich auf engem Raum stundenlang für Essen und Wasser anstehen. Ein Großteil der Schutzsuchenden ist durch die Strapazen der Flucht sowie die grauenhaften Lebensbedingungen im Lager physisch geschwächt und psychisch stark angeschlagen, sodass die Mehrheit den Coronavirus-Risikogruppen zuzurechnen ist. Eine Ausbreitung von COVID-19 wird daher dazu führen, dass viele Menschen sterben. Darum müssen wir jetzt endlich handeln!

Abschottung darf nicht die Antwort auf diese Notlage sein. Die Coronakrise ist ein zusätzlicher Grund, solidarisch mit allen Menschen zu sein, auch an den EU-Außengrenzen. Natürlich müsste die EU eine gemeinsame Lösung finden. Doch darauf warten wir nun schon viel zu lange – ergebnislos.

Solange die EU nicht handelt, sind Staaten, Städte und Kommunen in der Verantwortung, europäische Werte praktisch umzusetzen. Bisher wurden lediglich290 Minderjährige sowie einige Ihrer Angehörigen in Deutschland aufgenommen. Von ihnen hatten etliche ohnehin wegen familiärer Bindungen einen Rechtsanspruch auf die Aufnahme.

Die geplante Aufnahme von insgesamt 500 unbegleiteten und kranken Kindern und Jugendlichen durch die Bundesrepublik wäre zwar gut, bleibt aber angesichts der Gesamtzahl schutzbedürftiger Menschen ein Tropfen auf den heißen Stein. Somit können wir bislang nur ein beschämendes Versagen feststellen. Es müssen nicht nur einige unbegleitete Kinder aus den Lagern evakuiert werden, sondern alle etwa 40.000 auf den griechischen Inseln gestrandeten Menschen. Eine vollständige Evakuierung wäre für Deutschland zu bewältigen – doch der politische Wille fehlt, das Machbare umzusetzen und Humanität über die eigenen Egoismen zu stellen.

Hamburg hat sich zum sicheren Hafen erklärt und seine über bestehende Verpflichtungen hinausgehende Aufnahmebereitschaft bekräftigt. Solange die Bundesregierung und der Bundesinnenminister Menschen in Lebensgefahr belassen, muss Hamburg solidarisch handeln, auch wenn dies zu einem Konflikt mit der Regierung führt.

Deshalb fordern wir als Bündnis vielfältiger Organisationen dieser Stadt den Hamburger Senat auf: Hamburg muss sofort mindestens 1.000 Menschen über ein Landesaufnahmeprogramm aufnehmen!

1.000 Menschen hier aufzunehmen, ist für Hamburg kein Problem. Selbst der Innensenator sagte noch vor einigen Wochen, wir hätten sofort Platz für 3.000 Menschen. Dies verdeutlicht, dass auch unter erhöhten Hygieneanforderungen die Kapazitäten für mindestens 1.000 Menschen vorhanden sind. Dabei ist nicht einmal berücksichtigt, dass zum Beispiel leere Hotels vorübergehend zur Unterbringung genutzt werden könnten. Auch nach Berechnungen mit dem Königsteiner Schlüssel entfielen 1000 Personen auf Hamburg, wenn Deutschland 40.000 Menschen evakuieren würde.

Es ist an der Zeit, in der EU, in Deutschland, aber auch speziell in Hamburg nicht mehr nur von Menschenrechten und Solidarität zu sprechen, sondern aktiv für sie einzustehen!